Polar Vortex-Story: "Golfstrom"

In dem eilends anberaumten Besuchstermin hatte dessen Führung, unterstützt von Experten aus verschiedenen NATO-Staaten, einen Überblick über die Lage im Grenzgebiet zu Russland an die politische Führung weiterzugeben. Diese Informationen und ihre Bewertung waren wahrscheinlich entscheidend für die Entwicklung der nächsten Wochen und Monate.
Auf dem Rücksitz ihres Dienstwagens sah sich Lene Mattila die Mappe mit den Fotos und Dokumenten, die sie am Nachmittag erhalten hatte, durch.
Was sieh sah, beunruhigte sie sehr. Für das Manöver „SAPAD 22“ haben Russland und die Ukraine tatsächlich 20 Divisionen in unterschiedlichen Übungsräumen von Smolensk im Süden bis Petschenga im Norden aufgeboten. 300.000 Soldaten, 36.000 gepanzerte und ungepanzerte Fahrzeuge, mehr als 1.000 Flugzeuge befanden sich in diesem Moment entlang der Grenzen zu Weißrussland, dem Baltikum und nicht zuletzt zu Finnland und Norwegen im Einsatz. „Und ausgerechnet wir müssen auch noch auf breitester Front zuschauen.“, dachte die Ministerpräsidentin. „Fast 1.500 Kilometer beste Nachbarschaft. Das können wir unmöglich allein halten.“
Er musste mit Lene Mattila sprechen, sobald sie aus diesem Lindwurm von Dienstwagen, auf dem Weg von Kuusamo nach Oulu entkommen konnten sprechen. Sie mussten dringend sprechen, denn allein waren sie beide hilflos.
In Bodø war unterdessen das Hauptquartier der „Very High Joint Readiness Task Force (VJTF)“ mit eingerichtet und einsatzbereit. Flottillenadmiral Michael Hallstein, Chef der NATO-Eingreiftruppe hatte für diese Abkürzung wenig übrig und nannte die Task Force kurz und einfach „Aurora Borealis“, ein Name, der inzwischen auch in den politischen Kreisen der NATO geläufig war. Die tägliche Routine im Hauptquartier bestand im Wesentlichen aus der Auswertung der Aufklärungsinformationen, die auf verschiedenen Kanälen zusammengetragen wurden.
Der zweite Teil der täglichen Workload bestand in der Koordination und Verteilung der inzwischen ständig eintreffenden Unterstützungstruppen in Skandinavien. Die meisten Einheiten aus Deutschland, Polen, Holland, Dänemark, dem Vereinigten Königreich, den USA und Belgien konnte er taktisch günstig in Unterkünften in Norwegen einquartieren. Einige Truppenteile waren bereits auf dem Weg nach Schweden und Finnland. Hier hatten Hallstein und sein Stab er allerdings die klare politische Vorgabe, bestimmte Kontingente nicht zu überschreiten, um die Pforte der Diplomatie nicht vollständig zufallen zu lassen. Er hatte gelernt, dass es im Grunde nie zu spät für diplomatische Lösungen ist und dass auch noch so verfahrene Situationen plötzlich durch die gelungene Kombination von Vernunft, Bauernschläue und Kommunikation gelöst oder zumindest entschärft werden können. Er hoffte inständig, dass dies auch diesmal gelingen könnte.
Die Fässer auf beiden Seiten waren randvoll mit Sprengstoff und das Streichholz, mit dem die Lunte entzündet werden könnte, brannte nach Hallsteins Einschätzung leider auch schon.
Bildquellen: wikipedia.org - Finnische Streitkröfte; Schwedische Streitkrägte; pixabay.de - Aurora Borealis; Satellitenbild - Linzenzfrei
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